Antrag: Machtmissbrauch und sexueller Belästigung in der Filmbranche entgegentreten

Fraktion der SPD
Fraktion Bündnis 90 Die Grünen

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Seit einigen Jahren wird unter dem Schlagwort #MeToo über Sexismus, Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe diskutiert, nachdem im Jahr 2017 über Sexualverbrechen des US-Filmproduzenten Harvey Weinstein berichtet wurde und Betroffene keine angemessene Unterstützung erhalten haben. Doch auch sieben Jahre danach hat sich die Lage in der Filmbranche nicht verbessert, im Gegenteil: Immer wieder werden Fälle von Machtmissbrauch bekannt, seien es Beleidigungen, Gewalt oder sexuelle Übergriffe hinter der Kamera und den Kulissen. Ein Beispiel sind bekannt gewordene Anschuldigungen gegen den Schauspieler und Filmemacher Til Schweiger, ihm werden etwa Wutausbrüche, Schikane und körperliche Gewalt am Set vorgeworfen. Dieses Fehlverhalten wurde über Jahre verschwiegen und systematisch gedeckt.

Eine genaue Aufschlüsselung der bekannten Fälle von Machtmissbrauch und sexueller Belästigung nach Bundesländern ist aktuell nicht möglich, daher sind auch entsprechende Vorfälle für Niedersachsen nicht auszuschließen. In 2023 hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) in 2023 eine Befragung eingeleitet, die Häufigkeit und die Hintergründe sexueller Belästigung und Gewalt in der Kultur- und Medienbranche untersucht[1]. Dabei haben 46 Prozent angegeben, in den letzten drei Jahren von sexueller Belästigung betroffen gewesen zu sein. Zum Vergleich: im Querschnitt aller Branchen sind es neun Prozent gewesen. Am häufigsten wurden verbale Grenzüberschreitungen genannt, es wurde aber auch von Erpressung zu sexuellen Handlungen und körperlicher Nötigung berichtet. In der Befragung wurden auch Fallberichte erhoben. Von diesen 2800 berichteten Fällen waren 89% der Täter*innen männlich und in etwa der Hälfte der Fälle auf einer höheren Hierarchiestufe als die betroffene Person. Der Bericht zur Befragung kommt zum Ergebnis, dass es sich bei den sexuellen Übergriffen um ein organisationsinternes Problem handelt, über das auch eher geschwiegen denn geredet werde. Von denjenigen, die nicht über das Erlebte sprachen, gaben mehr als die Hälfte der Menschen als Gründe beispielsweise die Sorge vor beruflichen Nachteilen oder fehlenden vertrauenswürdigen Ansprechpartner*innen an. Abgefragt wurde auch, welche Unterstützung bei Problemen gewünscht sei. Die meist genannten Wünsche waren demnach mehr Sensibilisierung, Aufklärung, die Einführung eines eindeutigen Verhaltenskodex‘ und mehr Anlaufstellen sowie Konsequenzen für die Täter*innen. Die Befragung der BKM zeigt dadurch deutlich, dass Machtmissbrauche und sexuelle Belästigung in der Filmbranche allgemein vorhanden sind.

Kürzlich griff auch die NDR-Dokumentation „Gegen das Schweigen – Machtmissbrauch bei Theater und Film“ diese Missstände der sexuellen Übergriffe im Film und Theater auf. Drei Jahre Recherche und Gespräche mit über 200 Film- und Theaterschaffenden förderten die Probleme der Branche zutage. Bei vielen Produktionen herrsche ein regelrechtes Klima der Angst und die Frage wird aufgeworfen, wie viel Verantwortung neben den Täter*innen auch bei den Produktionsfirmen oder Geldgeber*innen liege. Damit solche Zustände in Niedersachsen nicht eintreten können, sollen präventiv Maßnahmen dagegen ergriffen werden.

Vor diesem Hintergrund bittet der Landtag die Landesregierung, darauf hinzuwirken, dass

  1. die Niedersächsische Filmförderung an einen von Bund und Ländern gemeinsam zu erarbeitenden Verhaltenskodex gegen sexualisierte Grenzüberschreitungen und Machtmissbrauch geknüpft ist, der verbindliche Vorgaben für berufliches Verhalten in den von Niedersachsen geförderten Projekten festlegt
  2. eine unabhängige Anlauf- und Vertrauensstelle für Betroffene sexueller Übergriffe und von Machtmissbrauch in der niedersächsischen Filmförderung eingerichtet wird
  3. Schutzkonzepte und Vertrauenspersonen am Film-Set Kriterien für die Filmförderung durch das Land Niedersachsen sind.

 

Begründung

Ein faires, offenes Miteinander und ein respekt- und verantwortungsvolles Verhalten sollten im Zentrum eines jeden Handelns stehen, auch und gerade am Arbeitsplatz.

In der Filmbranche herrschen jedoch meist Abhängigkeitsverhältnisse, bei der Gefallen und Missfallen für die Existenz der Arbeitnehmer*innen entscheidend sind – etwa weil es keinen richtigen Kündigungsschutz gibt, sondern meist nur zeitlich begrenzte Verträge. Dadurch entsteht eine „Hire-and-Fire“-Mentalität, oft einhergehend mit einem Machtgefälle. Begleiterscheinungen sind dabei viel zu oft: Respektloses Verhalten, Sexismus, Machtmissbrauch. Das sind jedoch keine Kavaliersdelikte. Deswegen ist es wichtig, dass alle, die Verantwortung haben, diese auch übernehmen – wie etwa die Filmschaffenden und die Geldgeber*innen.

Die Entwicklung in den vergangenen Jahren macht deutlich, dass etwaige Selbstverpflichtungen gegen sexuelle Übergriffe in der Branche nicht gefruchtet haben. Vielmehr braucht es eine Art Vertragsbestandteil bei der Filmförderung: Eine Verhaltensrichtlinie, ein sogenannter Code of Conduct, in dessen Mittelpunkt ein respektvolles, diskriminierungsfreies, würdevolles Miteinander und Arbeitsklima stehen.

Seit 2001 gestaltet die Medien-Fördereinrichtung nordmedia für Niedersachsen und Bremen den Ausbau und die Entwicklung der Film- und Medienbranche in den beiden norddeutschen Bundesländern. Hier ist solch ein verbindlicher Verhaltenskodex, an den eine Förderung der nordmedia geknüpft ist, anzusetzen.

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