Antrag: Gesundheitsschutz der Anwohner*innen und Lärmschutz in den Mittelpunkt stellen: Neues, erweitertes Gutachten zum Nachtflugverkehr am Flughafen Hannover-Langenhagen mit Beteiligung der Betroffenen!

Der Landtag wolle beschließen:

Entschließung

Der Flughafen Hannover-Langenhagen ist ein infrastruktureller Bestandteil Niedersachsens und der Landeshauptstadt Hannover. Für die Akzeptanz und die Zukunft des Flughafens ist aber von elementarer Bedeutung, seinen Betrieb so zu gewährleisten, dass die Anwohnerinnen und Anwohner ausreichend, dauerhaft und nachhaltig vor negativen Auswirkungen geschützt und insbesondere vorgesundheitlichem Schaden bewahrt werden.

In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich etwa 158 Betriebe mit insgesamt ca. 10.400 Beschäftigten. Zu einem überwiegenden Großteil sind diese Betriebe wirtschaftlich nicht von einem Nachtflugbetrieb und auch nicht von touristischen Nachtflügen abhängig. Insofern ist nach heutigen Erkenntnissen der Umstand, dass fast drei Viertel der Beschäftigten in unmittelbarer Nachbarschaft zum Flughafen leben und wohnen, arbeitsmarktpolitisch nicht von maßgeblicher Relevanz.

Unbestritten befindet sich die gesamte Luftverkehrsbranche vor den Herausforderungen eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Zweifelsohne muss sich die Flughafenbetreibergesellschaft diesen Herausforderungen stellen. Da jedoch eine Wertschöpfung für Niedersachsen angesichts der überwiegenden ausländischen Billigflieger zu hinterfragen ist, gehören die Nachtflüge nicht zu den zukunftsträchtigen und nachhaltigen Geschäftsfeldern des Flughafens Hannover-Langenhagen.

Nicht erst seit dem Anstieg der Nachtflugbewegungen fühlen sich die Menschen aus den direkt an den Flughafen angrenzenden Städten Langenhagen und Garbsen, aber auch aus weiteren Städten und Gemeinden der Region Hannover in ihrer Nachtruhe gestört. Hierbei geht es um mehr als die bloße Störung der Nachtruhe. Eine nicht unerhebliche Zahl von betroffenen Menschen leidet massiv unter Schlafentzug. Dass Nachtfluglärm die Gesundheit gefährdet und medizinisch relevant ist, haben mittlerweile verschiedene Gutachten zum Thema Lärm und deren gesundheitliche Auswirkungen nachgewiesen.

Es ist zu begrüßen, dass das Land Niedersachsen als Anteilseigner sich zu seiner Verantwortung bekennt. Gleichzeitig muss aber die Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern eine ebenso große Rolle einnehmen, um das Risiko von gesundheitsgefährdenden Flugbewegungen deutlich zu reduzieren. Auch wenn die bestehende Genehmigung des Nachtflugs bis 2029 rechtsgültig und verbindlich geregelt ist, müssen im Rahmen eines neuen neutralen Gutachtens alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Anzahl der Nachtflüge schrittweise und signifikant abzubauen. Einzig die Erstellung eines neuen, neutralen Gutachtens und die Auswertung eines solchen Gutachtens unter Beteiligung aller Betroffenen schafft Vertrauen und Akzeptanz ins Verfahren. Daher ist der Antrag der Fraktionen von SPD und CDU vom 30.08.2021 (Drs. 18/9843), den der Landtag am 14.9.2021 beschlossen hat, dringend zu erweitern: Im weiteren Verfahren müssen alle noch bestehenden Zweifel an einer Neutralität eines neuen, erweiterten Gutachtens und auch alle noch offenen Fragen ausgeräumt werden. Zudem muss eine breite Bürger*innenbeteiligung sichergestellt werden.

Vor diesem Hintergrund fordert der Landtag die Landesregierung auf,

  1. ein Dialogverfahren unter Beteiligung der Bürgerinitiativen zu den Anforderungen des neuen Gutachtens durchzuführen, bevor das Gutachten in Auftrag gegeben wird;
  2. ein Gutachten in Auftrag zu geben, das neben einer betriebswirtschaftlichen Untersuchung auch eine volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung beinhaltet. Die Kosten der gesundheitlichen Auswirkungen von Fluglärm müssen berücksichtigt werden;
  3. bei der Untersuchung mögliche Maßnahmen zur Lärmminderung zu berücksichtigen;
  4. die Annahme, dass der Nachtflugverkehr bestehende Arbeitsplätze sichert, nachzuweisen;
  5. die Ergebnisse aller Gutachten und Untersuchungen in einem umfassenden Bürger*innenbeteiligungsverfahren auch unter Einbindung der Bürgerinitiativen auszuwerten und den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit und Digitales im Landtag in das Beteiligungsverfahren einzubinden und regelmäßig zu unterrichten;
  6. sich trotz der bestehenden Nachtflugregelung in Abhängigkeit der Gutachtenergebnisse zu verpflichten, alle weiteren Möglichkeiten zur Reduzierung der Nachtflüge vollumfänglich auszuschöpfen.

Begründung

Angesichts der am 31.Dezember 2019 ausgelaufenen Betriebsbeschränkungen für den Flughafen Hannover-Langenhagen hat das Wirtschaftsministerium eine neue Nachtflugregelung erlassen. Vorausgegangen ist der Entscheidung ein umfangreiches Verfahren mit einem Beteiligungsverfahren der betroffenen Kommunen. Jedoch wurden die Einwände der Bürgerinitiativen und der Fluglärmschutzkommission weites gehend nicht berücksichtigt. Da Fluglärm im Durchschnitt gewichtet und bemessen wird, sind die vorgenommenen Einschränkungen wirkungslos. Das neue Verfahren zur erleichterten Beantragung für bauliche Schallschutzmaßnahmen berücksichtigt nur Kosten für Billig-Zulüfter, nicht aber die Kosten für einen wirkungsvollen Luftaustausch.

Das bekannte Hübl-Gutachten als einer der Grundlagen für die derzeitige Nachtflugregelung eignet sich gemäß der Einschätzung von Prof. Dr. Friedrich Thießen nicht für eine neutrale Bewertung. Die Mängel des Hübl-Gutachtens sind vielfältig und reichen von fehlenden Berechnungen, Methodenfehlern bei der Wirkungsanalyse, Methodenfehlern bei der Ableitung der Schäden einer Nachtflugbeschränkung bis hin zu fehlerhaften Expert*Innenbefragungen. Deshalb ist es nun umso wichtiger, hohe Anforderungen an eine neue gutachterliche Bewertung zu stellen. Dabei sind die Gesundheitsgefährdung durch den Nachtfluglärm, die Vermeidung von Gesundheitsgefahren durch Schallschutzmaßnahmen sowie die betriebswirtschaftlichen und auch volkswirtschaftlichen Auswirkungen zu untersuchen. Diese Kriterien sollten als Mindestanforderungen die Grundlage für ein neues Gutachten sein.

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