Detlev Schulz-Hendel: Rede zu den Haushaltsberatungen 2022/2023 - Schwerpunkt Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung (TOP 32)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

zu Beginn möchte ich erwähnen, dass ich aufgrund meiner knappen Redezeit mich ausschließlich auf den Verkehrsbereich in meiner Haushaltsrede fokussiere. Viele Themen der Wirtschaftspolitik sind natürlich ebenfalls von hoher Relevanz, keine Frage. Aber: wichtige Weichenstellungen sind jetzt vom Bund zu erwarten, z.B. bei den Wirtschaftshilfen. Ich freue mich, dass wir mit einem Wirtschaftsminister Habeck auf einen Kurs langfristig resilienterer und nachhaltiger Wirtschaftspolitik einschwenken werden.

Knapp ein Jahr vor der Landtagswahl legen SPD und CDU einen Haushalt vor, der bei näherer Betrachtung einem verkehrspolitischen Offenbarungseid gleichkommt. Auch wenn wir wissen, dass es insbesondere die CDU mit ihrem Verkehrsminister ist, die auf der Bremse steht, befreit das Sie von der SPD nicht von der Verantwortung, die Bremsen zu lösen.

„Jeder Kilometer Gleis ist aktiver Klimaschutz“, sagt DB-Netz-Vorstand Jens Bergmann (Quelle: RP online 23.6.2021). Das sehen wir genauso und begrüßen deshalb, dass im Bundesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz jetzt ein niedrigschwelliger Zugang zu Fördermitteln für die Reaktivierung von Bahnstrecken von bis zu 90 Prozent zur Verfügung steht. Es grenzt allerdings schon an Realitätsverweigerung, wenn die GroKo weiter keine potentiellen Strecken in Niedersachsen konkret zur Bundesförderung anmeldet oder Gutachten unterstützt. Baden-Württemberg, Bayern aber auch Nordrhein-Westfalen sind da deutlich weiter. Mit Streckenreaktivierungen können wir die Mobilität der Menschen, insbesondere in ländlichen Räumen, deutlich verbessern.

Anrede

positiv anzumerken ist aber, dass wir nun einvernehmlich dem Rückkauf der OHE-Schieneninfrastruktur beschließen. Mithilfe unseres Grünen Vorschlags konnten wir uns auf einen interfraktionellen Antrag verständigen, der sicherstellt, dass der Rückkauf nicht nur den Güterverkehr verbessert, sondern das Netz perspektivisch auch für den Personennahverkehr genutzt werden soll.

Anrede,

das Rückgrat des ÖPNV bilden nach wie vor die Schülerverkehre in Niedersachsen. Wer von klein auf mit Bus und Bahn zu jeder Zeit und zu jedem Ort kommt, wird auch als Erwachsener die Vorteile des ÖPNV zu schätzen wissen. Mit dem Doppelhaushalt ist nun aber endgültig klar, dass die GroKo verkehrs- und klimapolitische Versprechen im Koalitionsvertrag bricht: Die kostenlose Nutzung des ÖPNV auch ab Klasse 11 wird es unter SPD und CDU gar nicht geben. Und unser Vorschlag für ein Niedersachsen-Azubi- und Schülerticket, mit dem junge Leute für 1 Euro pro Tag durch ganz Niedersachsen hätten fahren können, lehnen Sie ab.

Stattdessen soll das von Ihnen geplante Ticket nur regional und nicht landesweit gelten. Das ist eine Schmalspürlösung, die in der Praxis für erhebliche Probleme und Verwirrung sorgen wird!

Die bestehende Regelung führt zu Ungerechtigkeiten zwischen verbundfreien Gebieten und Gebieten mit Verkehrsverbünden. Nutzer*innen leuchtet nicht ein, weswegen Schüler A sein Ticket ausschließlich im Landkreis X nutzen darf, während Schülerin B aus Landkreis Y für den gleichen Preis ein ganzes Verbundgebiet befahren kann. Ich empfehle Ihnen hierzu die Lektüre der Verkehrsgesellschaft Nord-Ost Niedersachsen.

Das sauberste Verkehrsmittel ist immer noch das Fahrrad. Es kommt ganz ohne Emissionen aus. Bei einem Modal-Split-Anteil des Fahrrades bei 15 Prozent gibt es in Niedersachsen aber noch deutlich Luft nach oben: Leider simuliert die Landesregierung hier nur Aktivität, guckt man genauer hin, passiert wenig:

Von den 78 kommunalen Projekte, die das Land mit den Gemeindeverkehrsfinanzierungsmitteln in den kommenden fünf Jahren fördern will, sind nur 18 reine Radverkehrsprojekte plus drei weitere Straßenprojekten, bei denen die Radwege mitgestaltet werden sollen. Das heißt konkret: Von den 110 Millionen Euro, die das Land vergibt, entfallen gerade einmal 7,4 Mio. Euro auf die Förderung von Radwegen. Das sind noch nicht einmal 7 Prozent! Hier brauchen wir mehr, mindestens ein Viertel der Straßen-GVFG-Mittel! Das schlagen wir mit unseren Grünen Haushaltsentwurf vor.

Wir brauchen dringend einen strukturellen Wandel.

Wir Grüne fordern, im Verkehrsministerium ein eigenes Referat für Rad- und Fußverkehr einzurichten. Beides darf in Niedersachsen nicht weiter als Nischenthema verkümmern! 

Noch ein Beispiel gefällig? Zwei Schritt vor und dann auch gleich wieder zurück – so wirkte der Trippelschritte-Tanz bei der Förderung der Lastenräder: Erst sollten 5 Millionen Euro für die Förderung zur Verfügung gestellt werden, und dann strich Minister Althusmann die Mittel auf nur noch 700.000 Euro zusammen. Weil Lastenräder für Handel und Handwerk wichtig und mittlerweile auch gefragt sind, halten wir daran fest!

Endlich mehr Radschnellwege bauen, endlich mehr Sicherheit beim Radverkehr, das sind die Handlungsnotwendigkeiten. Es reicht eben nicht, einfach mal darüber zu sprechen. Unsere Grünen Änderungsvorschläge zeigen, wie wir umsteuern für ein sicheres und besseres Radwegenetz, bei dem Radwege nicht plötzlich auf stark befahrenen Straßen enden oder zu dicht an Straßenbahnschienen oder parkenden Autos vorbeiführen.

 

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