Detlev Schulz-Hendel: Rede zur niedersächsischen Mobilitätsgarantie (Antrag GRÜNE)

- Es gilt das gesprochene Wort -

Anrede,

eine umfassende und vor allem faire, sozial gerechte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist dann möglich, wenn alle Menschen unabhängig von Alter, Wohnort, gesundheitlicher Verfassung und Einkommen uneingeschränkt und barrierefrei Zugang zu Mobilität haben.

Mobilitätsangebote für alle Menschen in Niedersachsen auf den Weg zu bringen, das muss der Grundsatz Niedersächsischer Verkehrspolitik sein.

‚Autobahnen und deren Neubau verbinden die Menschen insbesondere in ländlichen Räumen‘ - keine Angst, dieser Satz stammt nicht von mir, sondern wird von Asphaltträumern und das sind meistens Männer, immer wieder gepredigt und er ist grundfalsch. Auch die Minister Althusmann und Lies haben uns mit diesem Satz in diesem Landtag betrübt.

Das Grundgesetz gibt vor, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Garantierte Mobilitätsangebote in ganz Niedersachsen zu schaffen ist ein wesentlicher Beitrag zur Schaffung gleicher Lebensverhältnisse und insofern für uns Grüne ein Grundrecht und eben keine freiwillige Aufgabe.

Wir wollen, dass der Zugang zu Mobilität in Niedersachsen zur Pflichtaufgabe wird.

Mit unserem Ansatz, landesweit allen Menschen in Niedersachsen eine Mobilitätsgarantie geben zu wollen, beschreiben wir ein Ziel, das wir nicht ad hoc und gleich in Gänze umsetzen können. Doch wenn wir nicht jetzt mit Nachdruck uns auf diesen Weg begeben, dann wird es schwer dieses wichtige Ziel zu erreichen. Alle Orte in Niedersachsen mit einer regelmäßigen Taktung an den ÖPNV anzuschließen, ist eine große Herausforderung, das ist uns bewusst. Aber mit unserem Antrag und unserem Konzept dazu begeben wir uns auf den Weg und gehen erste sehr wichtige Schritte in die richtige Richtung.

Nach Jahrzehnten der kontinuierlichen Ausdünnung von Verbindungen bei Bus und Bahn geht es uns vor allem um einen Richtungswechsel.

Wenn wir angesichts der Klimaziele des Bundes die Fahrgastzahlen im ÖPNV bis 2030 verdoppeln, müssen wir jetzt angesichts eines Modal Splits von nur 7 Prozent in Niedersachsen deutlich aufholen! Wir wollen mehr Menschen davon überzeugen, statt in das Auto zu steigen, den Bus oder die Bahn zu nehmen. Dafür müssen wir wieder ein Angebot schaffen, auf das sich die Menschen auch verlassen können und das attraktiv ist – und zwar unabhängig davon, wo sie wohnen.

Der ungebremste klimaschädliche Trend zu immer mehr Autos ist kein Schicksal der Menschheit. Dass wir heute in Deutschland mit einem PKW-Bestand von fast 50 Millionen PKW im Vergleich zu 1980 rund doppelt so viele Autos auf den Straßen haben, die noch dazu mehr als 23 Stunden herumstehen und öffentlichen Raum blockieren, ist das Ergebnis einer klimaschädlichen und gegenüber den kommenden Generationen verantwortungslosen Verkehrspolitik. Damit muss Schluss sein!

Dass die GroKo unser Anliegen nicht teilt und in den Beratungen unserem Antrag ablehnend gegenüber steht zeigt uns, wie wenig SPD und CDU Interesse an einer echten Mobilitätswende haben.

Schöne Worte, scheinbar mehr Geld im System reichen nicht, wenn Mut und Tatendrang zu wirklichen Veränderungen fehlen, um endlich von dem hohen CO2-Ausstoß im Verkehrssektor herunterzukommen.

Anrede,

gerade auch im ländlichen Raum sollen Busse und Bahnen nicht mehr nur zu Schulzeiten regelmäßig fahren.

Wir wollen alle Orte in Niedersachsen von 5 Uhr früh bis Mitternacht werktags stündlich und an Wochenenden und Feiertagen mindestens zweistündlich an den öffentlichen Nahverkehr anbinden. Das ist natürlich nicht alleine mit dem klassischen Linienbus zu erreichen. Wir wollen den traditionellen ÖPNV vor allem sinnvoll und angepasst mit anderen Mobilitätsangeboten ergänzen und verknüpfen. Dazu gehören Rufbusse ebenso wie Anrufsammeltaxis, Ride-Sharing-Modelle, Car-Sharing auch im ländlichen Raum, die Verknüpfung des Fahrrades mit dem ÖPNV oder auch die Weiterentwicklung von Mobilitätsstationen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Ein attraktives ÖPNV-Angebot schafft man dann, wenn ein abgestimmtes Zusammenspiel mit anderen Verkehrsträgern in ganz Niedersachsen gelingt.

Als einen ersten Schritt wollen wir Pilotprojekte in vier Modellregionen durchführen – und daran Bürger*innen beteiligen und die Projekte wissenschaftlich begleiten und auswerten lassen. Die Grünen in Thüringen haben dazu bereits eine Studie durchgeführt. Und die Ergebnisse machen Mut, einen Paradigmenwechsel hin zu einer sozial gerechten und ökologischen Mobilität schaffen zu können. Hochgerechnet müsste Thüringen für 1,6 Millionen Bürger*innen rund 31 Millionen Euro jährlich zusätzlich in die Hand nehmen, um landesweit einen regelmäßigen und verlässlichen ÖPNV zu gewähren. Das ist ungefähr ein Drittel mehr als bislang. Das ist viel, aber zu schaffen – auch in Niedersachsen - wenn man den realistischen Zeitplan, beginnend mit Modellprojekten bis hin zu einer vollumfassenden Mobilitätsgarantie bis 2035, plant.

Anrede,

wir sind davon überzeugt, dass die Mobilitätsgarantie das richtige Ziel ist. Zentraler Dreh- und Angelpunkt ist die Vernetzung mit anderen Verkehrsträgern und ergänzenden Mobilitätsangeboten.

Von der GroKo wünschen wir uns ein bisschen mehr Weitsicht und ein Ende der klimafeindlichen Weiter-So-Verkehrspolitik.

Vielen Dank.

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