Grüne: Wirtschaftsförderung am Gemeinwohl orientieren - Niedersächsisches Markenzeichen etablieren
Ohne einen grundlegenden Wandel in der Wirtschaft können wir langfristig den Klimawandel nicht aufhalten. Immer mehr Menschen kritisieren ein blindes Wachstum, das zu großen sozialen und ökologischen Problemen führt. Wir Grüne setzen uns für einen neuen Wohlstandsbegriff ein, der soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt.
Darum geht‘s
Realistisch oder doch nur eine Utopie? Wirtschaft, die sich nicht allein an der Unternehmensbilanz orientiert, sondern auch am Nutzen eines Betriebes für das Gemeinwohl, an sozialen und ökologischen Kriterien. Wie gut funktioniert Gemeinwohlökonomie bereits in der Praxis? Welche Chancen bietet die Gemeinwohlökonomie? Welchen Bedarf und welche Möglichkeiten für eine veränderte Wirtschaftsförderung gibt es? Darüber haben knapp 100 Interessierte in einer digitalen Webinar-Veranstaltung der Grünen-Fraktion diskutiert. Zu Gast: Stefan Voelkel, Geschäftsführer des erfolgreichen Familienunternehmens Voelkel und Lisa Fiedler, Leiterin VAUDE Academy für nachhaltiges Wirtschaften des Unternehmens VAUDE. Beide repräsentieren mittelständische Unternehmen, die sich erfolgreich der Idee der Gemeinwohlökonomie verschrieben haben.
Kernaussagen aus dem Webinar zu Chance der Gemeinwohlökonomie
Julia Willie Hamburg, Fraktionsvorsitzende der Grünen:
„Ohne einen grundlegenden Wandel in der Wirtschaft können wir langfristig den Klimawandel nicht aufhalten. Immer mehr Menschen kritisieren ein blindes Wachstum, das zu großen sozialen und ökologischen Problemen führt. Wir Grüne setzen uns für einen neuen Wohlstandsbegriff ein, der soziale und ökologische Kriterien berücksichtigt. In der Corona-Pandemie haben wir gesehen, was politischer Wille bewirken kann. Die Krise birgt die Chance, die Weichen für die Zukunft grundlegend neu auszurichten.“
Stefan Voelkel, Geschäftsführer des Getränke-Unternehmens Voelkel:
„An einem gewissen Punkt muss man sich fragen, was macht mich glücklich und gesund? Ein gefülltes Bankkonto, oder das wir beispielsweise weiter unser Grundwasser trinken und im Badesee baden können? Verantwortung für Mensch und Natur – so lautet seit jeher Voelkels Leitgedanke und deshalb war es nur logisch, dass wir eine Gemeinwohlbilanz erstellen. Wir sind davon überzeugt, dass ein Wandel hin zu einem besseren Leben für alle nicht nur möglich, sondern alternativlos ist! Wir möchten daher jeden motivieren: Engagiert euch für das Gemeinwohl, unterstützt nachhaltiges Wirtschaften und übernehmt Verantwortung für Mensch und Natur!“
Lisa Fiedler, Leiterin VAUDE Academy für nachhaltiges Wirtschaften:
„Die Textilindustrie ist sehr ressourcenintensiv, deshalb beschäftigen wir uns bei VAUDE schon lange damit, wie wir als Unternehmen unseren CO2-Fußabdruck so gering wie möglich halten und langlebige und funktionierende Outdoorausrüstung produzieren. Dafür ist die Gemeinwohlbilanz eine ganzheitliche und wissenschaftsbasierte Methode, transparent unser unternehmerisches Handeln mit externer Unterstützung immer wieder zu überprüfen. Mit der VAUDE Academy wollen wir Unternehmen dabei unterstützen sich auf einen nachhaltigeren Weg zu bewegen und gleichzeitig wollen wir junge Menschen ansprechen und an unseren Erfahrungen teilhaben lassen.“
Detlev Schulz-Hendel, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion:
„Wir hören Vorreiterunternehmen wie Voelkel oder Vaude genau zu. Am Ende muss sich ein verantwortungsvoller Umgang mit den endlichen Ressourcen für Unternehmen lohnen, dafür muss die Politik die Rahmenbedingungen verändern. Die derzeitige Subventions- und Steuerpolitik braucht dringend ein sozial-ökologisches Update. Die Gemeinwohlökonomie ist ein gutes Instrument, damit soziale und ökologische Folgen des unternehmerischen Handelns deutlich werden. Wir Grünen unterstützen diesen Ansatz und wollen die Gemeinwohlbilanz zum Markenzeichen in Niedersachsen entwickeln. Die Landtagsfraktion hat deshalb im November 2020 den Antrag „Gemeinwohlökonomie als Niedersächsisches Markenzeichen etablieren“ in den Landtag eingebracht.“
Hintergrund
Stefan Voelkel ist einer der Geschäftsführer des bereits in der vierten Generation geführten Familienunternehmens Voelkel. Der Bio-Getränkehersteller hat im letzten Jahr seine erste Gemeinwohlbilanz erstellt. Die Voelkel GmbH erwirtschaftete 2020 einen Umsatz von 88 Millionen Euro und beschäftigt 350 Mitarbeiter*innen im Wendland (Landkreis Lüchow-Dannenberg).
Lisa Fiedler leitet die im März 2020 neugegründete „VAUDE Academy für nachhaltiges Wirtschaften“. VAUDE lässt sich mit Fug und Recht als „Gemeinwohlpionier“ bezeichnen. Das Unternehmen ist schon seit 2013 Mitglied der Gemeinwohlökonomie. Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz gilt als eine der prominentesten Vertreterinnen des Netzwerkes „ Gemeinwohl-Ökonomie“, deren Sprecherin sie zeitweise war. Rund 500 Mitarbeiter*innen sind in Tettnang (Bodenseekreis) beschäftigt und VAUDE erwirtschaftet einen Umsatz von über 100 Millionen im Jahr.
Auszug aus dem Grünen Bundestagswahlprogrammentwurf 2021:
„Wohlstand definiert sich nicht allein durch Wachstum des BIP, sondern lässt sich viel breiter als Lebensqualität verstehen. Wir wollen den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands und der Unternehmen nicht nur an Wachstum und Rendite, sondern auch anhand sozialer, ökologischer und gesellschaftlicher Kriterien messen und die Wirtschaftsförderung entsprechend ausrichten“ (Entwurf Grünes BT-Wahlprogramm 2021, S.37, 38)